AUFGABENSTELLUNG | Zukunftsorientierte Ortsentwicklung im Grünen

Auf dem ehemals gewerblich geprägten „Deutz-Areal“ der Gemeinde Übersee soll ein neues lebendiges Quartier entstehen. Mitten im ländlichen Raum, in unmittelbarer Nähe zum nördlich gelegenen Bahnhof und Ortszentrum im Westen wird ein Pilotprojekt für eine nachhaltige Nachverdichtung mit hohem Qualitätsanspruch für attraktiven Wohnraum und Freiraum angestrebt.
Schlicht ein Wohnfühlort für Jung und Junggeblieben, zukünftige Bewohner:innen und ihre umliegende Nachbarschaft. Herausfordernd und einzigartig zugleich offenbart sich das Baufeld mit seiner Nähe zum Bahnhof – als attraktives „Tor zur Welt“ samt seiner Lärmemission – dem Kulturangebot und der geringen Distanz zum Chiemsee.
Insgesamt rund 200 Wohnungen, Gastro- und Kleingewerbeflächen, eine Kita und soziale Einrichtungen, sowie ein attraktives Naherholungsgebiet werden den Lebensraum der Gemeinde Übersee aufwerten.

STÄDTEBAU | mehr Dichte = mehr Freiraum
Sanft eingebettet in die historisch gewachsene Struktur reagiert die Bebauung städtebaulich sensibel und vervollständigt in klarer, selbstverständlicher Formensprache das Quartier.
Typologien der Umgebung – vorwiegend Einfamilienhäuser und Klein-Gewerbe in den EG-Zonen - werden aufgenommen und zeitgemäß interpretiert.
Diese verdichteten (Mehrfamilien-)Strukturen begleiten Übersee in eine moderne, zeitgemäße Nachverdichtung wertvoller Brachflächen und schaffen eine attraktive Alternative bzw. Ergänzung zu den vorherrschenden Einfamilienhaus-Siedlungen.
Frei nach dem Motto: mehr Dichte = mehr Freiraum!

ENTWURFSKONZEPT | Dorf im Dorf
Die Größe, Form und Körnung der Dorferweiterung nimmt Bezug auf den umliegenden Bestand und bietet Qualitäten freistehender Häuser bei gleichzeitig angemessener Dichte. Der Entwurf zeigt ein Konglomerat an unterschiedlichen Wohnformen: Eigentum besteht neben Baugruppen, Generationen-Wohnen findet Platz neben Genossenschaftswohnungen oder sozialem Wohnbau. Von Kleinst-Einheiten (Garçonnière) als Gäste-Einheiten, für Pflegekraft oder Au-Pair, bis hin zu Wohnraum für Großfamilien oder Penthäuser wird ein Wohnungsmix für eine bunte Gesellschaft angeboten. Dem starken Wunsch nach dem Einfamilienhaus – dem Wohnen über mehrere Etagen – wird der Entwurf durch das Angebot von „Haus in Haus“-Einheiten (Reihenhaus- oder Maisonette-Wohnungen) gerecht.
Es gibt kein fixes Bausystem – die vorgeschlagene flexible Struktur kann in der Entwicklung in mehreren Etappen noch auf Änderungen reagieren. Es gibt längere und kürzere Riegel, wachsende Reihenhaus-Strukturen, große und kleine Punkthäuser. Ein Ensemble aus Einzelhäusern, die sich teilweise Erschließungskerne teilen und somit zu einem schützenden Rücken zusammenwachsen.
Die Situierung der Baukörper generiert Enge und Weite – fast wie in einem gewachsenen Dorf.
Durch die Ergänzung von sozialen Einrichtungen wie einer Kita, Gastro- und Gewerbeflächen und kommunikativen Gemeinschaftsbereichen entsteht ein heterogenes und lebendiges Quartier.
Die EG-Zonen entlang der Bahnhofstraße werden von gewerblichen und gastronomischen Funktionen gesäumt – ein Bäcker oder der regionale Hofladen locken in das Quartier. Großzügige Freiräume, Spielplätze und Erholungsflächen laden zum Verweilen und Flanieren ein. Der lokale Einzelhandel und die Gasthauskultur werden revitalisiert - Geselligkeit, Genuss, Kommunikation, Austausch, Spiel und Erholung sind im Fokus.Die unmittelbare Nähe zum Bahnhof verlangt besondere Maßnahmen um die Lärmemissionen
einzudämmen. Parallel zur Bahnhofsstraße wird mit versetzten, schützenden Baukörpern auf die
Bahnhofsnähe reagiert, gleichzeitig bleibt jedoch das Erdgeschoß großzügig geöffnet und formuliert ein
durchlässiges „Entree“ zum neuen Quartier.
Die Höhenentwicklung der Neubauten nimmt Rücksicht auf die angrenzende Bebauung und treppt sich
von Norden nach Süden ab. Im Süden schafft verdichteter Flachbau in Form von Reihenhäusern einen
sanften Übergang zur umliegenden Einfamilienhaus-Siedlung.

BAUKÖRPER | FUNKTION
Die Eingänge der Gebäude sind zueinander angeordnet und die Häuser schließen wie in alten Städten
direkt an den öffentlichen Raum an. So wird die Erschließungszone in jedem Baukörper zur
Begegnungszone und Aufenthaltsort. Rückspringende offene Stiegenhäuser und Durchgänge schaffen
eine spannungsvolle Tiefe und gliedern die Bebauung in eine angemessene Maßstäblichkeit. Der
Dorfcharakter wird mit vorgelagerten, kommunikativen „Veranda-Zonen“ (Rankspalier, Sitzbank,
Plauder-Treppe, …) verstärkt.
Der Zugang – ob offen oder im Warmen – bietet Abstellflächen für Fahrräder, Kinderwägen,
Müllsammelstellen und individuelle Sitzmöbel. Diese kommunikativen Begegnungszonen vor den
jeweiligen Wohneinheiten fördern eine lebendige Nachbarschaft.
Die Grundrisse sind klar und einfach strukturiert und ermöglichen mit einfacher Modifizierung die
gewünschte Grundriss-Vielfalt für eine soziale Durchmischung im Quartier.
Gemeinschaftsräume und kollektiv genutzte Freiflächen bieten einen Ort der ungezwungenen
Begegnung und fördern ein nachbarschaftliches Miteinander für Strickrunden, Keks-Back-Workshops,
Tarock-Club, Geburtstagspartys, Quartiersfeste, Kabarett, Winterspielgruppe für die kleinsten
Bewohner:innen, …
Innovative Co-Working-Bereiche schaffen Arbeitsplätze für junge Start-Ups, kreative Köpfe im ländlichen
Raum. Innovation und kreatives Netzwerk als Alternative zum Pendeln oder Home-Office – hier teilt man
sich Infrastruktur und tauscht sich aus.

FREIRAUM | Landschaft als Rahmen
Das Wettgewerbsgebiet ist eingebettet in einen landschaftlichen Rahmen der sich zwischen Chiemsee
und seinen Moorgebieten und der Nähe zu den Alpen aufspannt. Diese Analogie spiegelt sich auch in der
landschaftlichen Gestaltung wider. Ein mäandrierender Freiraum zieht sich durch das Quartier und
eröffnet Plätze und Situationen.
Gewerbezone und Co-Working-Bereiche bilden ein großzügiges Entree und symbolisieren ein lebendiges
Ankommen im Quartier. Biergärten und Gastronomie markieren den geselligen Übergangsbereich zum
großen Quartiersplatz. Hier findet das wuselige Leben statt – Feste, Spielzonen, Wochenmarkt,
Nahversorgung, Kita-Kinder, Senior:innen-Cafe, Jugendtreff, Pumptrack, Grüninseln, Erholungsraum und
Wasserspiele finden hier ebenso Platz wie soziale Einrichtungen und Gemeinschaftsräume.
Aneignungsräume wie Gemeinschaftsgarten, Blumenwiese, Naschgarten, Pflanzbeete, Igel-Unterschlupf
bieten neben vielfältigen Spiel- und Bewegungsangeboten einen abenteuerlichen Naturerfahrungsraum
für unsere jüngsten Bewohner:innen – ein grünes Wohnzimmer quasi.
Die durchlässige öffentliche Durchwegung der gemeinschaftlich genutzten Freiräume stellt einen
wesentlichen Mehrwert für die angrenzenden Wohnsiedlungen und Gemeindebewohner:innen dar.
Kleine Gassen und „Schleichwegerl“ laden zudem zum Erforschen und Entdecken des Quartiers ein und
ergänzen die Freiraumvielfalt. Die kleineren Nachbarschaftsplätze zeichnen sich durch mehr Privatheit aus. Kleinkindspielbereiche und flexibles Stadtmobiliar schaffen eine intimere Freiraumsituation und stärken die unmittelbare Gemeinschaft beim ungezwungenen Plaudern und spontanen Treffen. Für heiße Sommertage werden zum Pritscheln und Planschen auch Wasserspielflächen und Trinkbrunnen angeboten – Fontänenanlagen sorgen für die gewünschte Abkühlung.
Die Freiraumabfolge gestaltet sich von der öffentlichen Platzsituation über halböffentliche Bereiche vor den Hauseingängen hin zu privaten Rückzugsräumen (Terrassen, Balkone, Loggien).
Die Hauszugänge sind zum öffentlichen Raum hin ausgerichtet – die Privatgärten liegen geschützt auf der gegenüberliegenden Hausseite oder sind mutig auf den Platz orientiert und werden durch natürliche Hecken begrenzt.
Die Natur darf sich hier das einst großflächig versiegelte Baufeld wieder zurückerobern. Großer Wert wird daher auf den Erhalt der Bestandsbäume und einen natürlichen Erdkoffer für großkronige Bäume gelegt. Versickerungsfähige Pflasteroberflächen, wassergebundene Decken, Wiesen- und Rasenflächen stellen das Grundgerüst für einen zukunftsorientieren Grünraum mit Pflanzenreichtum und Strukturvielfalt dar. Eine breite Palette von einheimischen, klimafitten Gehölzen ergänzt durch extensiv pflegbaren Stauden- und Gräserflächen sorgen für optische Anreize quer durch die Jahreszeiten.
Markante großkronige Quartiersbäume sorgen für kühlende Schattenzonen, Orientierung und Identitätsmerkmale für die verschiedenen Platzsequenzen.
Im Süden soll zusätzlich ein Ballspielplatz für sportliche Aktivitäten zur Verfügung stehen und bildet mit der Ökoausgleichsfläche den Abschluss des Grünzuges.

Klimaanpassung | Retention | Schwammstadt-Prinzip
Der großzügige Grünraum des Quartiers hilft dabei, Hitzeinseln durch Verdunstungskühlung zu vermeiden. Retentionsflächen auf Dächern und im Außenraum schützen bei Starkregenereignissen.
Das Niederschlagswasser soll nach der gedrosselten Abgabe aus den Retentionsflächen in Zisternen gesammelt und wiederverwendet oder über Mulden versickert werden.
Biotopsituationen sorgen für den Erhalt der Artenvielfalt und inmitten der Pflasterflächen nehmen Retentionsflächen nach dem Schwammstadt-Prinzip das Regenwasser auf und gleichen somit ihren Wasserhaushalt aus - das örtliche Mikroklima jubelt.
Einen Schutz vor sommerlicher Überhitzung im Innenraum bieten unter anderem die Begrünung der Fassaden über Rankgerüste, sowie die vorgelagerten Balkone und Vordächer.

VERKEHR
Um das Quartier möglichst autofrei gestalten zu können, sind an den zwei Tiefgaragenzufahrten an der Deutzstraße und am Gassnerfeld jeweils Mobilitätspunkte mit Angeboten zum Carsharing, Fahrradstellplätze und E-Bike-Stationen vorgesehen.
Fußgänger- und Fahrradverkehr haben oberste Priorität und das Quartier wird dadurch sicherer und lebendiger.
Es werden jedoch Versorgungsachsen für Einsatzfahrzeuge, Anlieferungen oder eine dezentrale Müllabholung vorgesehen. Der ruhende Verkehr für die Wohngebäude ist hauptsächlich in zwei Tiefgaragen untergebracht. In der Regel sind die Treppenhäuser und Aufzüge an die Tiefgarage angebunden. Zwei zentrale Zugänge zur Tiefgarage vom öffentlichen Platz aus ermöglichen z.B. auch eine Fremdvermietung von TG-Stellplätzen.
Je nach Bauabschnitt können die Sammelgaragen etappenweise erweitert und zusammengeschlossen werden.
Entlang der öffentlichen Straßenzüge sind Stellplätze für Gäste, Anlieferung und Car-Sharing situiert. Fahrräder werden teils in den Hausvorbereichen, teils in den Tiefgaragen untergebracht. Für die Mülltonnen sind dezentrale, den Gebäuden zugeordnete, überdachte bzw. eingehauste Abstellflächen vorgesehen, die über eigene Versorgungswege angefahren werden.
Die Bewohner:innen im neuen Quartier fahren mit dem Rad, gehen zu Fuß und fahren überwiegend mit der Bahn. Schwere Transporte können mit Leihlastenräder und E-Autos erledigt werden.

KONSTRUKTION | BAUWEISE | TECHNIK
Das gesamte Quartier wird als effiziente Hybrid-Bauweise (Massiv-/Holzbau) mit wirtschaftlichen Spannweiten und klarem statischen Konzept angedacht. Gleichzeitig kann die speicherwirksame Masse der Konstruktion für das Raumklima aktiviert werden.
Die Satteldach-Häuser werden in ein hölzernes Fassadenkleid gehüllt, die Punkthäuser mit Flachdach nehmen mit einer Putzfassade die Gestaltung der Nachbarschaft auf.
Hölzerne Balkone, Terrassen und Laubengänge greifen die natürliche Materialität auf und verbinden somit Innovation mit Tradition.
Holz und Putz als abgestimmte Fassadenmaterialien und eine Auswahl an wenigen Fensterformaten erlauben wirtschaftliche Lösungen für ein Quartier aus verwandten aber doch individuellen Häusertypen.
Abgeschaut vom gewachsenen Dorf – wie eine große Familie, aber doch individuell.
Die volle Ausnutzung von erneuerbaren Energien auf den Dachflächen in Kombination mit der Verwendung nachwachsender Baustoffe und Recyclingbaustoffe in der Baukonstruktion steht für die ökologische Nachhaltigkeit des weitgehend energieautarken Projekts.

MANIFEST | Das Leben im Übersee-Quartier ...
… wir sind eine bunte, heterogene Truppe
… wir haben alles, was wir brauchen in unmittelbarer Nähe (Bäckerei, Nahversorger, Natur, …)
… bei uns kann man mit dem Fahrrad direkt in die Wohnung fahren
… wir genießen die Nähe zum Chiemsee
… unser neuer Quartiersplatz wird eifrig bespielt (Wochenmarkt, Flohmarkt, Kasperl-Theater, Blasmusik-Konzert, Kino-Abend, Tanzkurs, Schuhplattel-Weltmeisterschaft, …)
... in unserer Werkstatt helfen wir uns gegenseitig - Kaputtes wird bei uns repariert
… wir lernen voneinander
… wir tauschen uns aus
… uns wird nie langweilig (Strickrunde, Tarock-Partie am Quartiers-Stammtisch, Skate-Training beim Jugendtreff)
... wir haben einen eigenen Platz zum Fahrradschlauch-Wechseln
… wir ernten unser eigenes Obst und Gemüse
… bei uns gibt’s Quartiers-Vorlese-Omas und -Opas in der Kita
… unsere Senior:innen und Kita-Kinder sind in regem Austausch (Kekse backen, Vorlese-Stunde, …)
… wir haben eigene Obstbäume - Kirschkernweitspucken ist unsere Königsdisziplin
... wir haben einen Ort zum Feiern (Quartiersfest, 70er der Omama, 5. Geburtstag von Anderl, ...)
… wir feiern die Feste, wie sie fallen – gerne auch mitten am Quartiersplatz zünftig mit der Blaskapelle
... bei uns liegt Kreativität in der Luft
… wir leben im Forschungsraum - alles kann, nichts muss
... die Flora & Fauna darf sich bei uns ihren Raum zurückerobern
... Schmetterlinge flattern durch den Wohnhof
… bei uns findet jede:r ein Platzl
… wir entdecken die Welt gerne mit dem Zug
… zu uns kommen viele neugierige Besucher:innen zum Bestaunen und Bleiben
… unsere Kinder sausen ohne Gefahr von einem Spielplatz zum nächsten
… das xxx-Quartier ist ein Experimentierfeld
… wir fahren bequem mit dem Bus ans bayrische Meer

Mehr ...

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